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Wachsen mit Umsicht
19.06.2023

Bei der Zürcher Firma Radiate steht bei der Unternehmensentwicklung Verlässlichkeit vor Tempo.

Anfang der 2010er-Jahre kommen Scheibenbremsen – bei Mountainbikes längst etabliert – auch bei Rennvelos an. Zu der Zeit entwickelt ein Studententeam der ETH Zürich ein Vollkarbon-Laufrad speziell für Scheibenbremsen. Einer davon, Timothy Habermacher, realisiert rasch, dass es dafür eine Nachfrage gibt. Im Sommer 2014 schliesst sich der frisch diplomierte ETH-Ingenieur mit dem Kommunikationsspezialisten Frederic Poppenhäger zusammen, gemeinsam gründen sie die Firma Radiate Engineering & Design AG. Kurz darauf kommt Jonas Schmid dazu, wie Habermacher ein ETH-Ingenieur mit Fachrichtung Maschineningenieurwesen.

Wegweisende Entscheidung und ein Dämpfer

Die drei Unternehmer stehen sogleich vor einer grossen Frage: Das entwickelte Rad selbst vertreiben oder die Technologie einem Industrieunternehmen verkaufen? Sie entscheiden sich für Letzteres. «Wir wollten neue Produkte und Technologien entwickeln, uns technologisch breiter aufstellen und in verschiedene Industriezweige wachsen», erinnert sich Poppenhäger, der für Vertrieb und Marketing zuständig ist. So wird die Firma erst zum Entwicklungsbüro für die Fahrradindustrie, dann für die unbemannte Aviatik und macht sich schliesslich auch einen Namen in der Medizinaltechnik. Das Unternehmen entwickelt und baut unter anderem Prototypen für grosse Cargo-Drohnen und entwickelt für einen anderen Kunden eine Unterschenkelorthese. Projekte, in denen strenge regulatorische Vorgaben und höchste Ansprüche an Qualität und Zuverlässigkeit zu berücksichtigen sind.

Mit dem erfolgreichen Abschluss erster Projekte beginnt das Unternehmen zu wachsen; es kann Mitarbeitende einstellen. Die Coronapandemie geht dann aber nicht spurlos an Radiate vorbei. Die unsicheren Wirtschaftsprognosen machen sich bemerkbar: Kunden verschieben Entscheide oder stoppen Projekte, und plötzlich scheint die Liquidität gefährdet. «In dieser Situation hat unsere Hausbank Valiant uns schnell und unkompliziert dabei geholfen, einen Covid-Kredit zu erhalten», so Poppenhäger.

Mehr Platz für mehr Mitarbeitende

Den Kredit hat Radiate inzwischen zurückbezahlt, den Wachstumskurs konnte das Unternehmen halten. Seit 2021 befindet es sich an einem grösseren Standort mit eigenem Prototyping-Labor. Zwölf Personen aus Italien, Deutschland, Spanien und der Schweiz arbeiten heute bei Radiate, und was den Mitgründer persönlich freut: Zum Team gehört in dieser männerdominierten Branche inzwischen auch eine CAD-Konstrukteurin.

Entwickelt, getestet und gebaut wird am Standort in Zürich. Im Bild: der aerodynamische Körper einer Drohne.
Entwickelt, getestet und gebaut wird am Standort in Zürich. Im Bild: der aerodynamische Körper einer Drohne.


In die Zukunft geschaut, wollen die drei Unternehmer sicherstellen, dass die Kontrolle bei denen bleibt, die das Tagesgeschäft kennen. Eine Klausel in den Statuten besagt, dass es – zum Beispiel im Verwaltungsrat – keine externen Entscheider geben darf, die nicht aktiv für Radiate arbeiten.

«Wachstum ist selten linear»

«Uns ist Stabilität wichtig, nicht schneller Profit. Gewinne investieren wir zurück ins Unternehmen», erklärt Poppenhäger. Entsprechend wolle Radiate weiterhin moderat wachsen – mit Verantwortung für die Mitarbeitenden und als langfristige Partnerin ihrer Kunden. Wie das in Zahlen aussieht, dazu wagt er keine Prognose: «Wir sind uns bewusst, dass Wachstum selten linear ist und es immer wieder richtunggebende Entscheide braucht, wie damals kurz nach der Gründung.» Von Nutzen sei hier die umsichtige Strategie: «Wir sind solide aufgestellt und haben unsere Kennzahlen im Griff. Das ist unsere Grundlage für den künftigen Erfolg und eine Versicherung für turbulente Zeiten.»

Auf dem Titelbild: Timothy Habermacher (links) und Jonas Schmid (rechts) mit Frederic Poppenhäger. Fotos: Esther Michel


Dieser Artikel ist als Beitrag zum Fokus-Thema «Wachsen» im Kundenmagazin ValOr vom Juni 2023 erschienen.

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